In memoriam Prof. Johann Maier

17. 5. 1933 – 16. 3. 2019

17. 5. 1933 – 16. 3. 2019

 

Der vor wenigen Tagen verstorbene Prof. Johann Maier war in besonderer Weise mit dem Wiener Institut für Judaistik verbunden. Schon seine Dissertation an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Univ. Wien 1958, „Zum Gottesvolk- und Gemeinschaftsbegriff in den Schriften vom Toten Meer“, entstand in enger Verbindung mit Kurt Schubert, der die Qumran-Forschung in der deutschsprachigen Welt begründet hatte. In den folgenden Jahren als Assistent und Bibliothekar der Ev.-Theol. Fakultät dissertierte Johann Maier bei Schubert mit der Arbeit „Die Texte vom Toten Meer“, einer ersten kommentierten Übersetzung der damals bekannten Qumran-Texte (1958), deren immer wieder erweiterte Fassung zuletzt in vier Bänden „Die Qumran-Essener“ (München 1995) die noch immer maßgebende deutsche Übersetzung der Bibliothek vom Toten Meer ist. Unter demselben Titel war schon 1973 der gemeinsame Nachdruck von Schuberts „Die Gemeinde vom Toten Meer“ (München 1958) und Maiers Übersetzung der Texte erschienen. Bei Kurt Schubert habilitierte sich dann Maier 1963-4 mit der Arbeit „Vom Kultus zur Gnosis. Studien zur Vor- und Frühgeschichte der ‚jüdischen Gnosis‘“. Nach zwei Jahren als „Diätendozent“ für Judaistik an der Freien Universität Berlin wurde Maier 1966 auf den neu gegründeten Lehrstuhl für Judaistik an der Univ. zu Köln berufen (der vor ihm gereihte Kurt Schubert zog es vor, in Wien zu bleiben, wo die Gründung des Instituts für Judaistik bevorstand).

Dreißig Jahre lang leitete Johann Maier das „Martin-Buber-Institut für Judaistik“ in Köln und machte es zu einem bedeutenden Zentrum der deutschsprachigen Judaistik. Auch ein Attentat am Institut im Jänner 1984, bei dem Prof. Hermann Greive getötet und Johann Maier durch zwei Schüsse verletzt wurde, konnte seinen Elan nur vorübergehend hemmen. In Lehre und Forschung vertrat er das Fach in einer heute kaum noch vorstellbaren Breite und Tiefe. Seine Interessen waren nicht auf Qumran begrenzt – von Anfang an gehörte seine besondere Liebe der mittelalterlichen hebräischen Dichtung, die er kongenial zu übertragen verstand; er publizierte wiederholt zu Maimonides, aber auch zur Kabbala (sein Buch „Die Kabbala“, München 1995, führt anhand von Texten aus Josef Giqatillas „Pforten des Lichts“ gründlich in deren Gedankenwelt ein) und zu verschiedenen Bereichen der Halakha (etwa zum Friedens- und Kriegsrecht). Nach wie vor empfehlenswert sind seine beiden großen Überblicke „Das Judentum. Von der biblischen Zeit bis zur Moderne“ (München 1973 und öfter) sowie „Geschichte der jüdischen Religion“ (Berlin 1972, völlig neu bearbeitet Freiburg 1992). Auch als Emeritus blieb Johann Maier bis zum Schluss höchst aktiv; sein letztes Buch, aus dem er noch im Juli 2018 bei einer Tagung in Salzburg vorgetragen hatte, wird im Juni bei de Gruyter, Berlin, erscheinen: „Hebräisch-aramäisches Glossar zum jüdischen Recht in der Antike“.

Mit dem Tod von Johann Maier ist eine Epoche zu Ende gegangen, die Gründungszeit der deutschsprachigen Judaistik, geprägt von zwei Allroundern, Kurt Schubert und seinem Schüler Johann Maier; als einzelne Gelehrte haben sie das Fach aufgebaut und versucht, dem Idealentwurf von Leopold Zunz gerecht zu werden. Sie prägen das Fach bis heute.