emer. o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Schubert (1923-2007)

 

 

Nachruf

Mit dem Tod von Kurt Schubert am 4. Februar 2007 verliert das Institut für Judaistik seinen Gründer. Am 4. März 1923 in Wien geboren, erkannte Kurt Schubert schon früh die Bedrohung durch den Nationalsozialismus. Sein Interesse für das Judentum wurzelte in der Abwehr des Antisemitismus seiner Zeit. Wegen Asthma vom Wehrdienst befreit, studierte er ab 1941 an der Universität Wien Orientalistik, neben Akkadistik besonders Hebräisch und Syrisch. Durch seine Tätigkeit beim Luftschutz konnte Schubert die Bibliothek des traditionsreichen Wiener Rabbinerseminars in die Universität auslagern und so retten. Gerade noch vor Kriegsende promoviert, wurde der im katholischen Widerstand aktive Kurt Schubert noch im Mai 1945 vom russischen Kommandanten Blagodatov mit der Wiedereröffnung der Universität beauftragt und hielt am 2. Mai 1945 seine erste Vorlesung, eine Hebräischveranstaltung. Symbolkräftiger konnte der Neuanfang nach der NS-Zeit nicht sein. Für seine Verdienste um die Wiedereröffnung der Universität, aber auch für seine langjährige Leitung der Wiener Internationalen Hochschulkurse wurde Kurt Schubert 1990 zum Ehrensenator der Universität Wien ernannt.

Noch im Sommersemester 1945 begann Schubert am Institut für Orientalistik Hebräisch zu unterrichten und mit Geduld und Zähigkeit das Fach Judaistik aufzubauen, das 1959 mit einer außerordentlichen Professur im Rahmen der Orientalistik und schließlich 1966 mit einem selbständigen Institut für Judaistik voll etabliert wurde. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1993 gelang es Schubert, das Fach noch weiter auszubauen und zu festigen.

Schubert hatte von Anfang an eine sehr umfassende Vorstellung der Judaistik, die sich in den Studienplänen aller deutschsprachigen Judaistik-Institute durchgesetzt hat. Er knüpfte an den Anspruch der führenden Vertreter der „Wissenschaft des Judentums“ an, die allerdings im 19. und frühen 20. Jahrhundert nie einen Platz an einer Universität erringen konnten. Schubert versuchte, jüdische Geschichte, Literatur und Religion von den biblischen Anfängen bis zur Gegenwart zu unterrichten, und sich auch in der Forschung nicht auf ein Teilgebiet zu spezialisieren. Die Beziehung späterer jüdischer Geschichte zur Bibel war ihm immer wichtig, ebenso die Erforschung der neu entdeckten Handschriften von Qumran, wo er Pionierarbeit geleistet hat.

Auch mit Sicht auf die Voraussetzungen des Christentums war das Judentum des ersten Jahrhunderts für Schuberts Forschung immer zentral. In Lehre und Publikationen befasste er sich stets mit der Entwicklung des Verhältnisses Judentum – Christentum im Lauf der Zeiten; die Geschichte der christlichen Judenfeindschaft bis hin zum modernen Antisemitismus und die Erneuerung des Verhältnisses der katholischen Kirche zum Judentum seit dem 2. Vatikanischen Konzil beschäftigten ihn bis zum Schluss. Das christliche Engagement von Kurt Schubert, der lange Zeit auch Präsident des Katholischen Akademikerverbands und des Katholischen Bibelwerks war, wurde mehrfach durch kirchliche Auszeichnungen gewürdigt. Im Frühjahr 2006 wurde er noch vom International Council for Christians and Jews mit dem Sir Sigmund Sternberg Award ausgezeichnet. Von jüdischer Seite wurde sein unermüdlicher Einsatz im Kampf gegen den Antisemitismus und für ein echtes Verständnis des Judentums 1998 mit dem Großen goldenen Ehrenzeichen des Bundesverbandes der israelitischen Kultusgemeinden Österreichs gewürdigt.

Seit 1970 wurde in Schuberts Arbeit die Erforschung der jüdischen Bildkunst immer wichtiger, wobei er mit seiner Frau, der Kunsthistorikerin Dr. Ursula Schubert, engst zusammen arbeitete. Ursula Schubert unterrichtete am Institut viele Jahre die Geschichte der jüdischen Kunst, bis sie durch ihre Krankheit diese Tätigkeit aufgeben musste; sie starb am 29. August 1999. In diesem damals noch sehr wenig erforschten Gebiet erschloss Schubert besonders durch den Nachweis rabbinischer Quellen vieler Darstellungen Neuland, ebenso durch die Auswertung jüdischer Bilddokumente für die Geschichte jüdisch-christlicher Beziehungen im Mittelalter.

Das Kurt Schubert gemeinsam mit seiner Frau 1988 verliehene Ehrendoktorat der Theologie der Universität Freiburg/Schweiz zeigt die über die Grenzen der Judaistik hinaus reichende internationale Wertschätzung ihrer Forschungsarbeit. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften hat Kurt Schubert 1987 zum korrespondierenden Mitglied und 2004 zum Ehrenmitglied der philosophisch-historischen Klasse gewählt.

Über den universitären Bereich hinaus hat Schubert durch eine umfangreiche öffentliche Vortragstätigkeit für ein besseres Verständnis des Judentums und das notwendige Umdenken kirchlicher Kreise in dieser Frage geworben. Von größter Bedeutung in diesem Zusammenhang ist auch das Österreichische Jüdische Museum in Eisenstadt, dessen Gründung 1972 auf seine Initiative und langjährigen Bemühungen zurückgeht, in denen er vom damaligen Landesrat für Kultur und späteren Bundeskanzler Dr. Fred Sinowatz volle Unterstützung erfuhr.

Dass es heute ein Institut für Judaistik und diese Studienrichtung an der Universität Wien gibt, ist das Verdienst Kurt Schuberts. In großem Maße gilt das auch für eine Reihe von Universitäten Deutschlands und der Schweiz. Kurt Schubert hat stets größten Wert darauf gelegt, strengste philologisch-historische Arbeit mit einem aufklärerischen Impetus zu verbinden, Antisemitismus und ganz allgemein die Ablehnung des Anderen, des Fremden, durch Wissen zu überwinden. Schubert hat das Fach in Forschung und Lehre in einer umfassenden Breite vertreten, die heute nicht mehr erreichbar ist. Zugleich hat er immer vorgelebt, wie echtes Wissen zu mehr Menschlichkeit, zu Bildung im umfassenden Sinn führen muss.

Vom Sommersemester 1945 bis zum Sommersemester 2006 hat Kurt Schubert ohne Unterbrechung am Institut für Judaistik gelehrt. Generationen von Studierenden haben Kurt Schubert als einen begeisternden Lehrer erlebt. Die Vermittlung von Wissen und menschlicher Bildung war für Schubert wesentlicher Inhalt seines Lebens. Er hat für das Institut bis zum Schluss gelebt; solange er konnte, war er täglich am Institut anzutreffen. Kurt Schubert wird allen, die ihn kennen durften, in ständiger Erinnerung bleiben. Sein Vorbild möge noch lange nachwirken.